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Optionssteigerung durch produktive Selbstbeschränkung? Resiliente Strukturen experimenteller Institutionalisierung

In der Spannung zwischen Fakten und Möglichkeiten geraten wir in ständig neuen Entscheidungsdruck und damit in Begründungs- und Rechtfertigungs-zwänge. Wenn wir uns Störungen nicht mehr passiv ausgeliefert fühlen, sondern sie als (beeinfluss- und vermeidbare) Risiken wahrnehmen, werden Entscheidungen zum ausschlaggebenden Faktor. Immer mehr Tatbestände verändern sich so von der unbeeinflussbaren Gefahr zum gesellschaftlich erzeugten und verantworteten Risiko. In der Folge wachsen gesellschaftliche Entscheidungszwänge ebenso wie das Ausmaß der Verunsicherung.

Vor diesem Hintergrund haben moderne Gesellschaften juristische Prozeduren institutionalisiert, um derartige Entscheidungsprobleme besser bewältigen zu können. Das Recht kann in diesem Sinne als Prototyp einer resilienten Struktur angesehen werden. Allerdings stellt sich die Frage, ob und wie das Recht selbst auch einem Wandel unterliegt, der seine "Resilienzreserven" aufzuzehren droht. Das Forschungsprojekt geht von der Hypothese aus, dass in neuartigen Formen struktureller Selbstbegrenzungen des Rechts auch Chancen für neue Entscheidungsoptionen liegen.
 
Die Problemstellung wird an zwei ausgesuchten Fallbeispielen des Risiko-rechts (Chemie und Biomedizin) untersucht. In beiden Fällen lässt sich nachweisen, dass die Rechtslage zu einer deutlichen Selbstbindung führt und Entscheidungen entsprechend beeinflusst. Entstehen durch mehr Freiraum bei Entscheidern neue Optionen oder eher Überforderung und intransparente Entscheidungsmuster?

Immer häufiger sind Akteure gezwungen, ad-hoc zu reagieren, ohne sich dabei auf Standardannahmen verlassen zu können. Verantwortung, Transparenz und Partizipation liefern so häufig Basis für Entscheidungen. Aber ein Zuviel an Transparenz kann die Entscheidungsfähigkeit wieder mindern, ein Zuviel an Partizipation Desinteresse an politischen Prozessen auslösen.
Kann das geltende Rechtssystem unter mehrdeutigen, riskanten Bedingungen regulierend wirken und zur Stabilisierung mehrdeutiger Situationen beizutrage? Bilden sich neuartige Rechtsformen aus? Am Beispiel medizinischer Ethik-kommissionen wie auch aktueller Veränderungen im Risikoverwaltungsrecht (im Bereich der Chemie) wird das Forschungsprojekt diese Frage untersuchen.

Publikationen

Böschen, S. (2016): Theoretizing Epistemic Regimes – transformative phenomena as reason for transformative theory? Paper presented at the EASST-conference in Barcelona (31.08.- 03.09) 

Böschen, S. (2017a): Reflexive Responsibilisierung – Chemikalienregulierung feldtheoretisch ausgeleuchtet. In: Henkel, A. et al. Hrsg.): Reflexive Responsibilisierung. Verantwortung für nachhaltige Entwicklung. Bielefeld: transcript (im Erscheinen). 

Böschen, S. (2017b): Grand Challenges: Eröffnung von gesellschaftlichen Lernräumen oder Suche nach diskursiver Kontrolle? In: Lingner, St. et al. (Hrsg.): Grand Challenges. Baden- Baden: Nomos-Sigma (im Erscheinen). 

Böschen, S. (2017c): Epistemic Regimes: the case of regulating chemicals in the European Union. Paper presented on the SDN-conference. Cambridge: Harvard (28.06.-01.07.). 

Böschen, S./Vogt, M./Binder, C. R./Rathgeber, A. (2017): Resilienz. GAiA 26(S1): 162-165. 

Böschen, S./Binder, C. R./Rathgeber, A. (2017): Resilienzkonstruktionen: Divergenz und Konvergenz von Theoriemodellen. GAiA 26(S1): 216-224. 

May, S. (2013): „Rationalisierung des Katastrophendiskurses durch Politik und Recht“. Vortrag in der Evangelischen Akademie Tutzing auf der Tagung: Technik im Zeichen der Katastrophe (27.01.2013). 

May, S. (2014a): Resilienz und Governance. Eröffnungsvortrag auf dem Workshop der Arbeitsgruppe „Governance“, am Institut für Ost- und Südost-Europaforschung, Universität Regensburg (14.02.2014). 

May, S. (2014b): Unsicheres Wissen und rechtspolitische Ordnungsformen – Ein schwieriges Verhältnis, Vortrag an der Universität Breslau, Juristische Fakultät (28.10.2014). 

May, S. (2014c): Zum Sicherheitsversprechen modernen Rechts - Rationalitätsgrenzen eines Konzepts. Vortrag an der Universität Breslau, Juristische Fakultät (29.10.2014). 

May, S (2014d): Staatstheorie und Risikobegriff - Ende des Gesellschaftsvertrages? Vortrag an der Universität Breslau, Juristische Fakultät (30.10.2014). 

May, S. (2015a): Steuern im Ungewissen: Politisches Handeln in Zeiten von Unsicherheit und Nichtwissen. Vortrag auf der Tagung „Zauberwort Resilienz“ in der Evangelischen Akademie Tutzing (28.2.2015). 

May, S. (2015b): Sterbehilfe als Verfahren – soziologische Beobachtungen rechtlicher Praktiken in Grenzsituationen. Vortrag im Forschungskolloquium des Lehrstuhls Prof. Dr. Armin Nassehi (21.05.2015). 

May, S. (2015c): „Alles was Recht ist! (Rechts)soziologische Beobachtungen zum Verhältnis medizinischer Praxis und rechtlicher Regulation am Beispiel der Lebendorganspende“, Vortrag auf der Tagung: ...als wär`s ein Teil von mir... Zur Debatte um Hirntod, Organspende und Transplantation. 27. Medizin-Theologie-Symposium in Rothenburg ob der Tauber (27.-29.11.2015). 

May, S. (2016a): Rechtsformenwandel am Beispiel völkerrechts(politischer) Ordnungsbildung zwischen Formalisierung und Informalisierung. Vortrag im Exzellenzcluster „Normative Orders“ an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt (27.4.2016). 

May, S. (2016b): Mediensoziologische Beobachtungen resilienter Kommunikation – einige Beobachtungen in systematischer Absicht. Vortrag auf der Tagung Medienfreiheit. Ukraine, Deutschland und Polen, im Institut für ost- und Südost-Europaforschung (17.-18.03.2016). 

May, S./Preuß. K. (2018): Rechtsformenwandel und Unbestimmtheit. Anmerkungen zu einem Recht der Gegenwarten. In: Berliner Journal für Soziologie 2018 (im Erscheinen). 

Stefan Böschen/Stefan May/Roman Thurn (2018): Resilienz als Rechtsformenwandel? Erkundungen zur rechtspolitischen Transformationen der Gegenwartsgesellschaft. Weilerswist: Velbrück (im Erscheinen). 

Thurn, R./May, S./Böschen, S. (2017): Kritische Resilienzforschung als Beobachtung eines gegenwärtigen Rechtsformenwandels? – Aspekte einer erforderlichen Systematisierung. In: Sammelband des Forschungsverbunds ForChange. Wiesbaden: Springer (im Erscheinen). 

Thurn, R./Fritsche, J. (2017): Zwischen Servicekraft und Staatsdiener: Organisation und Körperlichkeit des Polizierens. In: Freie Assoziation. Zeitschrift für psychoanalytische Sozialpsychologie, S. 80-84. 

Ullrich, P./Knopp, P./Schmidt, S./Thurn, R. (2017): Gipfel der Eskalationen. Working Paper des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung (im Erscheinen). 

Projektpartner:

Informationen

Gründungsdatum

06.2013

Ende

12.2017

Gefördert durch

Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst