
EU-Kommission diskutiert Teil-Suspendierung Israels von „Horizon Europe“: Eine Übersicht zur aktuellen Debatte

Der am 28. Juli 2025 unterbreitete Vorschlag der EU-Kommission sieht einen teilweise Ausschluss Israels aus dem EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation Horizon Europe vor. Konkret bedeutet dies im Falle einer Zustimmung der EU-Mitgliedstaaten: Israelische Start-ups sowie kleine und mittelständische Unternehmen aus Technologiebereichen mit potenzieller Dual-Use-Anwendung (Cybersicherheit, Drohnentechnologie, künstliche Intelligenz) könnten sich in der kommenden Ausschreibungsrunde des EIC Accelerators nicht mehr um Fördermittel bewerben. Der EIC Accelerator richtet sich speziell an forschungsstarke Start-ups und KMUs und unterstützt diese mit einer Förderung von bis zu 2,5 Mio. EUR bei der Entwicklung und Markteinführung innovativer Produkte, denen ein überdurchschnittlich hohes Marktpotential zugeschrieben wird.
Die EU-Kommission betonte in ihrem Antrag ausdrücklich, dass es sich hierbei um eine gezielte und reversible Maßnahme handelt, die keine Auswirkungen auf die Teilnahme israelischer Universitäten und Hochschulen an europäischen Kooperationsprojekten und Forschungsaktivitäten im Rahmen von Horizon Europe hat. Kooperationsvorhaben für Ausschreibungen aus den Bereichen „Wissenschaftsexzellenz“ (Säule 1) und „Globale Herausforderungen und industrielle Wettbewerbsfähigkeit Europas“ (Säule 2) sind von den nun auf dem Tisch liegenden Vorschlägen nicht betroffen.
Hintergrund
Israel zählt seit 1996 zu den zum EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation assoziierten Staaten und kann hier eine überaus erfolgreiche Bilanz vorweisen. Nach den Angriffen der Terrororganisation Hamas auf Israel am 7.10.2023 verschob die EU-Kommission aus Rücksichtnahme auf potentielle israelische Bewerbungen zunächst die Einreichungsfristen mehrerer Förderprogramme. Im Zuge der wachsenden Kritik an der israelischen Kriegsführung in Gaza forderten bereits im Frühjahr 2024 erste europäische Universitäten eine konkrete Stellungnahme der EU-Kommission sowie Handlungsanweisungen zum Umgang mit israelischen Partnern in EU-geförderten Konsortien.
Die von Israel im März 2025 verhängte Blockade humanitärer Hilfslieferungen für den Gazastreifen zusammen mit der Wiederaufnahme der Kampfhandlungen führte im Mai 2025 zur Einleitung eines Prüfverfahrens des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Israel. Die Kommission verwies dabei insbesondere auf Artikel 2 des Abkommens, der die Einhaltung der Menschenrechte und demokratischer Grundsätze als wesentliches Element der bilateralen Zusammenarbeit festlegt. Der am 23. Juli 2025 vorgelegte Bericht der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas sah deutliche Anzeichen dafür, dass das israelische Vorgehen in Gaza gegen die gemäß Art. 2 geltenden Menschenrechtsverpflichtungen verstößt und kündigte entsprechende Maßnahmen von Seiten der EU-Kommission an.
Nächste Schritte
Für die Umsetzung der nun vorgeschlagenen Teil-Suspendierung ist eine qualifizierte Mehrheit notwendig, d. h. die Zustimmung von mindestens 15 der 27 EU-Mitgliedsstaaten, die gleichzeitig mindestens 65% der EU-Bevölkerung repräsentieren. Ob eine solche Mehrheit zustande kommt, ist allerdings fraglich, da neben Deutschland auch mehrere andere Länder, darunter Italien, Österreich und Ungarn, diesen Schritt zum jetzigen Zeitpunkt ablehnen.
Zum Stand der europäisch-israelischen Forschungsbeziehungen
Unabhängig von der möglichen Realisierung eines teilweisen Ausschlusses Israels aus dem europäischen Forschungsrahmenprogramm sind die europäisch-israelischen Forschungskooperationen im Rahmen von Horizon Europe seit 2024 signifikant zurückgegangen. In den vergangenen Monaten beendete eine wachsende Zahl europäischer Universitäten Kooperationsabkommen mit israelischen Partnereinrichtungen oder entschied sich für eine zumindest zeitlich begrenzte Aussetzung der wissenschaftlichen Zusammenarbeit.
Deutsche Hochschulen lehnen einen Ausschluss israelischer Wissenschaftler aus dem Europäischen Forschungsrahmenprogramm nach wie vor ab. In einer Stellungnahme vom 11. Juni 2025 verwies der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Prof. Dr. Walter Rosenthal darauf, dass die israelischen Hochschulen innerhalb des Landes eine „starke liberale, demokratische Kraft und gerade auch im Nahost-Konflikt ein zentrales Element der akademischen und ethischen Reflexion sowie des Ausgleichs“ darstellten und also solche gestärkt anstatt isoliert werden sollten.
Unterdessen wächst innerhalb der israelischen Forschungsgemeinschaft die Kritik am Vorgehen der Regierung. Mehr als 1.300 Forschende und Verwaltungsmitarbeiter israelischer Hochschulen unterzeichneten im Mai einen Appell für eine umgehende Einstellung der Kampfhandlung und ein Ende der humanitären Krise in Gaza und forderten eine klare Stellungnahme der Universitätspräsidien. Gleiches forderte Prof. David Harel als Präsident der „Israel Academy of Science and Humanities“ in einem Statement Mitte Juli. Am 28. Juli veröffentlichten die Präsidenten fünf israelischer Universitäten einen gemeinsam unterzeichneten Brief an die Regierung mit dem dringlichen Aufruf, der humanitären Katastrophe in Gaza entgegenzuwirken.
Für die israelische Forschungsgemeinschaft würde der vollständige oder anteilige Suspendierung aus Horizon Europe nachhaltige Konsequenzen mit sich bringen. Wie der Vorstand der „Israel Academy of Science and Humanities“ in einer Stellungnahme betonte, würde ein solcher Ausschluss von internationalen Forschungsaktivitäten und führenden Forschungseinrichtungen eine erhebliche Schwächung Israels innerhalb der globalen Forschungsgemeinschaft bedeuten – mehr noch als der fehlende Zugang zu wichtigen EU-Förderprogrammen.
(Aktualisiert am 06.08.2025)

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