Innovative Training Networks (ITN): Europäische Netzwerke zur Ausbildung von Nachwuchswissenschaftler*innen

Interview mit Prof. Dr. Frauke Liers und Prof. Dr. Angelika Wiegele, Koordinatorinnen des europäischen ITN-Projektes "MINOA" und Benedikt Bienhüls, Doktorand bei "MINOA"

Die länder- und sektorenübergreifende Vernetzung von Forschung und Industrie ist ein großer Schwerpunkt in Horizon 2020, dem Rahmenprogramm der EU für Forschung und Innovation. Gerade Nachwuchswissenschaftler*innen sollen so früh wie möglich mit der Industrie in Kontakt kommen. Unter anderem dafür gibt es das Förderinstrument “Innovative Training Network“ (ITN) als Teil der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen (MSCA), das Doktorand*innen eine duale Promotion ermöglicht.

Prof. Dr. Frauke Liers ist Professorin am Department Mathematik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Sie koordiniert derzeit das ITN MINOA, gemeinsam mit Prof. Dr. Angelika Wiegele als Vizekoordinatorin, die assoziierte Professorin für Diskrete Optimierung an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt ist. Ziel von MINOA („Mixed-Integer Nonlinear Optimisation: Algorithms and Applications“) ist zum einen, neue Erkenntnisse im Bereich der angewandten Mathematik zu gewinnen, zum anderen liegt der Fokus auf der Ausbildung von insgesamt zwölf Nachwuchsforscher*innen aus den Bereichen angewandte Mathematik, mathematische Optimierung und Informatik.

Was ist das Besondere an diesem Förderinstrument und welche Herausforderungen brachten Ihre bisherigen ITN in der Antragsphase mit sich?

Liers: Das Besondere an ITNs ist, dass Doktorand*innen sowohl in der Wissenschaft ausgebildet werden als auch sogenannte “secondments“ (Praktika) bei Industriepartnern absolvieren. Sie müssen typischerweise für die Dissertation in ein anderes europäisches Land umziehen. Es gibt lokale Events und Schulungen sowie netzwerkweite Treffen, Doktorandentage, Sommerschulen, Konferenzen, etc. Eine solch vielseitige Ausbildung kann ein Karrieresprungbrett darstellen.
Eine echte Herausforderung ist das Schreiben des Antrags, weil das wissenschaftliche Thema und die wissenschaftliche Exzellenz nur die Hälfte der Beurteilung ausmachen. 30 % der Beurteilung fällt auf die Implementierung des Projekts. Die restlichen 20 % werden nach dem “Impact“ des ITN für Wissenschaft und Gesellschaft beurteilt, also den geplanten Maßnahmen in Public Relations, Dissemination und Outreach, sowie Intellectual Property. All das sind Themen, mit denen man sich im wissenschaftlichen Alltag eher nicht befasst. Hier war für uns die Beratung durch die Drittmittelstellen unserer Universitäten, durch die BayFOR und die nationalen Kontaktstellen unerlässlich! Die Koordination des Antrags war auch für sich eine besondere, zeitaufwändige Herausforderung, die wir aber dank der tatkräftigen Mithilfe unserer europäischen Partner gut gemeistert haben.

Was macht den Reiz eines ITN für Sie persönlich als Wissenschaftlerin aus?

Wiegele: Die Doktorand*innen und auch wir selbst sind viel auf Konferenzen und Workshops unterwegs. Die Sichtbarkeit jedes einzelnen wird durch MINOA deutlich erhöht. Das wiederum erhöht auch die Anzahl an Einladungen, Plenarvorträge zu halten oder in Programmkomitees mitzuwirken. Und natürlich werden durch die Vernetzung innerhalb von MINOA interessante Fragestellungen aufgeworfen, auf die man ohne dieses Netzwerk nur schwer gestoßen wäre. Nicht zuletzt ist das Arbeiten mit den jungen Leuten natürlich eine tolle Sache für Wissenschaftler*innen.

Welchen Benefit haben Unternehmen? 

Liers: Ins Projekt eingebundene Unternehmen bieten “secondments“ und Schulungen an, über die sie selbst Nachwuchswissenschaftler*innen einstellen. Typischerweise kooperieren sie mit einer Universität zur Verleihung des Doktorgrades. Der Benefit besteht vor allem darin, den Zugang zu einem Netzwerk sehr vielseitig ausgebildeter Nachwuchswissenschaftler*innen sowie den beteiligten Wissenschaftler*innen und den Universitäten zu erhalten und auch den Zugang zum State-of-the-Art in der Forschung.

Thema Gender: Ist ein ITN für Wissenschaftlerinnen besonders interessant und wenn ja, warum?

Wiegele: Ich meine, dass es Frauen wie Männern gleichermaßen helfen kann. Vermutlich ist es bei Frauen, die im Allgemeinen nicht so stark vernetzt sind wie Männer, aber umso effektiver gleich in so einem prestigeträchtigen Programm dabei zu sein, das eine steigende Anzahl an Einladungen mit sich bringt. Und natürlich bleibt das Netzwerk über die Programmlaufzeit hinaus bestehen. Wenn es also nicht schon vorher der Fall war, dann gibt es einer Wissenschaftlerin jedenfalls die Chance, sich in der Community einen Namen zu machen.

Welche Verbesserungen wünschen Sie sich am Förderinstrument ITN?

Wiegele: Die Vertragslaufzeit sollte über die von der EU vorgesehenen 3 Jahre hinaus verlängert werden, da zumindest in Deutschland die durchschnittliche Promotionszeit in der Mathematik bei über 4 Jahren liegt.  
Liers: Die Zahl und der Umfang der Reports an die EU sind hoch – es wäre sehr wünschenswert den Aufwand zu reduzieren, damit mehr Zeit für die Forschung bleibt.

Benedikt Bienhüls arbeitet als einer von 12 Promovierenden innerhalb des MINOA-Netzwerks derzeit in Pisa (Italien) an seiner Dissertation.
Herr Bienhüls, welche Hürden mussten Sie überwinden, um teilnehmen zu können?

Bienhüls: Neben den Abschlüssen in Dortmund musste ich nur eine Bewerbung schreiben und das Bewerbungsgespräch absolvieren, welches ich definitiv nicht als Hürde bezeichnen würde. Da ich innerhalb des Schengen-Raums umgezogen bin, war dies ebenfalls recht umstandslos und mit wenig Bürokratie verbunden. Da das Projekt offen für Bewerbungen aus der ganzen Welt war, stammen manche von uns aus Ländern außerhalb des Schengen-Raums. Für diese Bewerber war die “Relocation“ deutlich schwieriger.

Was sind bis jetzt gute Erfahrungen und wo besteht Verbesserungsbedarf aus Ihrer Sicht?

Bienhüls: Bei den guten Erfahrungen möchte ich als erstes die neuen Kontakte und Freundschaften nennen, die durch das Projekt entstanden sind. Mir gefällt auch, dass man verglichen mit dem Bachelor- oder Master-Studium eine persönlichere Beziehung zu den Professor*innen im Projekt hat. Und da ich vor diesem Projekt nie die Möglichkeit eines Auslandsaufenthalts wahrgenommen habe, sind die vielen Eindrücke in Bezug auf Kultur und andere Mentalitäten sehr faszinierend für mich. Allerdings sollte die Vertragslaufzeit dringend verlängert werden.

Was denken Sie: Was nützt Ihnen ein ITN in Ihrem Lebenslauf für Ihre Karriere?

Bienhüls: Für mich bietet meine Position im MINOA-Projekt eine hervorragende Balance aus Relevanz für die Forschung und Bezug zur Wirtschaft. Als Konsequenz daraus denke ich, dass die Teilnahme am MINOA-Projekt mich sowohl für eine Karriere in der Wissenschaft als auch in der Wirtschaft hervorragend vorbereitet. Darüber hinaus bietet ein solches Projekt die Möglichkeit seinem Lebenslauf neue Sprachen und Teilnahmen an diversen Konferenzen und Workshops hinzuzufügen.

Herzlichen Dank für das Interview!

Steckbrief

Programm: Horizon 2020, Marie Skłodowska-Curie Innovative Training Network (ITN)
Fördersumme: 3 Mio. Euro, davon 250.000 Euro für Bayern
Laufzeit: 01/2018 – 12/2021
Koordinatorin: Prof. Dr. Frauke Liers, Professur für Angewandte Mathematik (Ganzzahlige und robuste Optimierung), Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU)
Vizekoordinatorin: Assoc. Prof. Dr. Angelika Wiegele, Assoziierte Professorin für Diskrete Optimierung , Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Projektkennzeichen: 764759
Internet: www.minoa-itn.fau.de  / www.bayfor.org/minoa-projekt 

Kontakt

Prof. Dr. Frauke Liers
Professorin für Angewandte Mathematik (Ganzzahlige und robuste Optimierung) 
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU)
Tel.: +49 (0)9131 85-67161
E-Mail: frauke.liers@no-spam-pleasemath.uni-erlangen.de

Prof. Dr. Angelika Wiegele
Assoziierte Professorin für Diskrete Optimierung
Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Tel.: +43 (0)463 2700 3119
E-Mail: angelika.wiegele@no-spam-pleaseaau.at

Benedikt Bienhüls
Doktorand im ITN-Projekt MINOA

Kontakt in der BayFOR

Dipl.-Ing. Robert Iberl

Dipl.-Ing. Robert Iberl
Wissenschaftlicher Referent Informations-/Kommunikationstechnologien |
Natur- & Ingenieurwissenschaften
Telefon: +49 89 9901888-131
E-Mail: iberl@no-spam-pleasebayfor.org

Kompetente Unterstützung für exzellente Forschung in Bayern, Europa und der Welt

Schnell zum Ziel

Kompetente Unterstützung für exzellente Forschung in Bayern, Europa und der Welt

Logo der Bayerischen Forschungs- und Innovationsagentur